Die Medienkunstagentur 235 Media hat seit ihren Anfängen in den frühen 1980er Jahren entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Kunstsparte Video- und Medienkunst. Sie formierte sich nicht innerhalb des etablierten Kunstbetriebs, sondern aus Subkulturen heraus, auf der Basis von Medienutopien und in enger Verbindung zur Musikkultur jener Jahre. 235 Media war eine wichtige Anlaufstelle für viele Künstler*innen und hat sowohl Produktionsprozesse initiiert als auch kuratorische Konzepte entwickelt. Lange hat 235 Media als einziger Videokunstvertrieb in Deutschland eine Alternative zum traditionellen Kunstmarkt geboten. Die Beiträge des Buches stellen die damaligen Vertriebs-, Produktions- und Vermittlungsstrategien von 235 Media erstmalig systematisch und kunst- und mediengeschichtlich fundiert vor.

 

 

 

 

„Der Text ist ein Wald, in dem der Leser der Jäger ist“ notierte Benjamin für sein Passagen-Projekt. Das Buch erschließt Benjamins Arbeitsweise erstmals ausgehend von seiner eigenen Lektürepraxis.

Als lesender Jäger und Sammler durchforstete Benjamin Texte von Goethe, Marx, Kafka, Freud und vielen weiteren Autoren. Angesichts der Heterogenität seiner Quellen ist erstaunlich, dass sich in der Art seiner Lektüre methodische Eigenheiten wiederholen. Burkhardt Lindner hat diesen Zugriff auf andere Autoren als „Entwendung“ beschrieben, mit der Benjamin „den fremden Text sich anverwandelt oder abstößt und damit in die eigenen Denkerfahrungen einsenkt“. Der Band erkundet verschiedene Dimensionen dieses Verfahrens und schärft den Begriff der Entwendung durch 18 fundierte Einzelanalysen. So werden Denk- und Schreibweisen sichtbar, die mit diesem Buch erstmalig als eine von Benjamin werkübergreifend angewendete Strategie nachvollzogen werden können.

 

Besprechungen: MEDIENwissenschaft (Melanie Konrad, 2020); Glanz & Elend. Literatur und Zeitkritik (2019, Jürgen Nielsen-Sikora)

Links hatte noch alles sich zu enträtseln heißt ein Band über Walter Benjamin, den Burkhardt Lindner 1978 herausgab. Zu dieser Enträtselung hat er selbst wie kaum ein anderer beigetragen – ohne je vollständige Enträtselbarkeit zu behaupten. Die Auswahl der in diesem Band versammelten Studien zu Benjamin gibt Einblick in Lindners umfängliche Forschung und damit zugleich in die Geschichte der Benjamin-Rezeption. Das Spektrum der Beiträge reicht von politischen über ästhetische Fragestellungen bis hin zur Fokussierung von Schreib­prozess und Mate­rialität. In Die Heiterkeit des Kommunismus schreibt Lindner: „Das Spiel nutzt nichts ab; es etabliert Möglichkeiten.“ In über 40 Jahren hat sich auch Benjamins Werk für ihn nie abgenutzt. Es bot immer wieder neue Möglichkeiten, weil Lindner ihm mit besonderer Aufmerksamkeit begegnete: Nichts vorschnell selbstverständlich nehmend, bereit, immer wieder mit großer Genauigkeit und Offenheit zu lesen.

So trägt er die Heiterkeit zurück zu seinen Leserinnen und Lesern: „Wer Lindners Arbeiten liest“, so Jochen Hörisch, „wendet sich mit neuer Lust den von ihnen analysierten und gedeuteten Werken zu, die sich dann anders, ganz anders als zuvor präsentieren.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

One night I was dancing with a lady in black
Wearing black silk gloves and a black silk hat
She looked at me longing with black velvet eyes
She gazed at me strange all cunning and wise
Then I saw the flesh just fall off her bones
The eyes in her skull were just burning like coals
Lord, have mercy, fire and brimstone
I was dancing with Mrs. D*

 

 *The Rolling Stones: Dancing with Mr. D (1973)

Wenn es eine Tätigkeit gibt, die in besonderem Maße Leben und Lebendigkeit symbolisiert, so ist es der Tanz. Was aber, wenn es nicht die Lebenden sind, die tanzen, sondern die Toten?

Das Motiv des Totentanzes kann auf eine jahrhundertelange Tradition zurückblicken. Seit dem ausgehenden Mittelalter nahm man sich den zum Leben erweckten Toten, die die wahrhaft Lebenden unabhängig von Alter, Geschlecht und Stand heimsuchten, durch alle Epochen hindurch an. Entstanden sind Darstellungen des Todes in Form lebendiger Skelette, die sich unter die Menschen mischen und diese zwingen, ihnen in den Tod zu folgen – mal stehen sie still in deren Rücken, mal zerren sie an ihnen oder fallen zu Pferde über ganze Dörfer her, mal bleiben sie in tanzenden oder musizierenden Gruppen unter sich. Sie sind mit Pfeil und Bogen ausgestattet, mit Trommel, Pfeife oder Dudelsack; sie können hinterlistig und grausam erscheinen, jedoch ebenso gesellig und lustig. So fern das Mittelalter uns auch erscheinen mag, so nah ist uns doch das, was der Totentanz zum Thema macht: Die Unvorstellbarkeit des Todes wie auch dessen gerne verdrängte Allgegenwart.

Der vorliegende Band hat einen spezifischen Fokus gewählt – er nimmt den Totentanz im Kontext des Films in den Blick. Anders als Gemälde, Fresken, Graphiken birgt dieses Medium durch seine Eigenschaft, stillgestellte Bilder in Bewegung zu versetzen, die Möglichkeit, den Tod tatsächlich ‚zum Tanzen zu bringen‘. Bereits um 1900 führen die Bilder, die zu laufen' beginnen, erneut zusammen, wofür es schon Jahrhunderte zuvor eine statische Bildsprache gab: Tod und Tanz. Filmische Darstellungen von Totentänzen sind folglich so alt wie das Medium selbst und lassen sich bis in die Gegenwart weiterverfolgen. Wie der Film dieses traditions­reiche Motiv fortschreibt, es verändert und umwendet und wie er dafür sein (audio)visuelles wie auch erzählerisches Potential nutzt, untersucht der Band an vielfältigen Beispielen aus der Filmgeschichte. Diese reichen vom expressionistischen Stummfilm der 1920er bis ins Hollywoodkino der 2010er Jahre, vom Dokumentar- und Trickfilm bis hin zu Videos aus dem Kontext der zeitgenössischen Kunst. Erkundet werden unter anderem Filme von Fritz Lang, Sergei Eisenstein, Walt Disney, Pier Paolo Pasolini, Terence Malick, Quentin Tarantino, Lars von Trier und Wim Wenders.

Mit Beiträgen von Andreas Becker, Mariaelisa Dimino, Silke Hoklas, Susanne Kaul, Felix Lenz, Jean-Pierre Palmier, Tim Pickartz, Viola Rühse, Daniel S. Ribeiro, Bernd Schneid und Anke Zechner. Förderer des Buches sind die Universitätsgesellschaft Paderborn und die Wim Wenders Stiftung.

 

Besprechungen: www.nachdemfilm.de (Judith Ellenbürger 2015); MEDIENwissenschaft  (Sabine Planka, 2016)

 

Interventionen treten in unterschiedlichen ästhetischen und gesellschaftspolitischen Bereichen auf. Sie scheinen daher weniger im Sinne einer künstlerischen oder politischen Gruppenbildung beschreibbar, als im Kontext einer globalen Gegenbewegung zum fortschreitenden Neoliberalismus sowie zum etablierten Kunstbetrieb. Ursprünglich ein militärischer und auf das Vermitteln und Eingreifen in (krisenhafte/n) Situationen bezogener Begriff, versammelt Intervention vergleichbare, zugleich heterogene und ausdifferenzierte Formen künstlerischen Handelns. Der Band Interventionen. Grenzüberschreitungen in Ästhetik, Politik und Ökonomie fragt vor dem Hintergrund der aktuellen Thematisierung des Politischen nach einer Neuverortung der Kunst, nach deren Handlungsspielräumen, Grenzen und neuen Schauplätzen. Dies erfordert zugleich eine historische Kontextualisierung und Re-Evaluierung (neo)avantgardistischer künstlerischer Praxen wie auch eine Neubewertung der historischen Vorläufer der interventionistischen Bewegung. Der Band führt Positionen von WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen aus unterschiedlichen Disziplinen zusammen und liefert damit eine aktuelle Standortbestimmung und Bestandsaufnahme der Interventionen an den Grenzen von Kunst, Politik und Ökonomie.

Der Band geht zurück auf das Symposium Interventionen (2010) an der Universität Paderborn, gefördert durch die Volkswagenstiftung und die Universitätsgesellschaft Paderborn; für weitere Informationen sowie Audiomitschnitte der Vorträge siehe: http://www.symposium-interventionen.de/interventionen/thema/

 

Was die Weimarer Kultur auszeichnet, ist ihre starke Ambivalenz. Während einerseits ein Trend zur Demokratisierung und neue, innovative Entwicklungen die Kultur- und Medienlandschaft prägen, zeigen sich andererseits Unstimmigkeiten zwischen Theorie und Praxis, staatliche Kontrollmechanismen werden sichtbar und längst überholte Wertvorstellungen verstecken sich im unterhaltsamen Gewand der Populärkultur. Doch ist das künstlerisch-intellektuelle Klima zwischen 1919 und 1933 tatsächlich so innovativ und sind die Produkte der Alltags- und Massenkultur wirklich so konservativ? Wo wird die Avantgarde affirmativ, wo die Populärkultur politisch? Diese Fragen und Ambivalenzen bearbeitet der Band in theoretischen Reflexionen und Analysen ausgewählter Beispiele aus dem Bereich der Avantgarde wie auch der Populärkultur und mit besonderem Fokus auf deren Schnittstellen in Rundfunk, Film, Fotografie, Theater und Literatur. Er bietet damit einen neu­en medienarchäologischen Blick auf die Kultur der Weima­rer Moderne.

Der Band geht zurück auf die Tagung Populärkultur. Audiovisuelle Massenmedien und Avantgarde in der Weimarer Moderne (2009) an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, gefördert durch die DFG (Tagungsbericht).

 

Besprechungen (Auswahl): Weimarer Beiträge (Gustav Landgren 2014);  MEDIENwissenschaft (Matthias Kuzina 2013); literaturkritik.de (Frank Siepe 2012).

 

Walter Benjamin hat die Fotografie neu gedacht und Fotografien auf besondere Art und Weise rezipiert. Seine Position zeichnet aus, dass er Fragen nach Wahrnehmungsweisen und deren Veränderbarkeit ins Spiel bringt und den Mediendiskurs damit signifikant erweitert hat.

Benjamins ‚Geschichten der Fotografie‘ sind versprengte, sie gehen sowohl als Horrorszenario im Fotoatelier um 1900, als Rezensionen zeitgenössischer Bildbände wie auch als Auseinandersetzung mit den um 1930 aktuellen Diskursen in sein Werk ein. Diese verschiedenen und selten widerspruchsfreien Einsätze des Mediums ergeben in ihrer Anordnung und Überlagerung ein Bild von Benjamins Gebrauch der Fotografie.

Der Begriff des Gebrauchs ist der Tatsache geschuldet, dass es um mehr geht als die Rekonstruktion einer Auseinandersetzung mit Fotograf(i)en, Fotografinnen und Diskursen. Dem Buch liegt die These zugrunde, dass Benjamin nicht lediglich einen neuen Blick auf das Medium wirft, sondern, dass er als Autor mit diesem Medium arbeitet, es gebraucht. Denn Fotografien werden von ihm nicht nur rezipiert und ‚gelesen’, sondern auch überschrieben, unterwandert und transformiert. Es geht daher weiterreichend um die Frage, wie sich die Fotografie in Benjamins Werk eingeschrieben hat, um seine theoretischen und litera­rischen Gebrauchsweisen. Anhand zahlreicher konkreter Lektüren wird dargelegt, wie sich die Fotografie bei Benjamin zu einem Medium entwickelt, das sich in die Wahrnehmungsräume einträgt, die er literarisch konstruiert. Es wird der Bewegung nachgespürt, wie Fotografien in seine Schriften einkehren, um sich nach und nach in fotografische Strukturen, einverleibte Optiken umzukehren. Auf diese Weise deckt die Studie auf, wie die Fotografie Benjamins literarische Arbeit mitstrukturiert und wie das Fotografische schließlich zu einer theoretischen Apparatur wird, die die Gegenwartsbezogenheit seiner geschichtsphilosophischen Konstruktion ins Bild setzt.

 

Besprechungen (Auswahl): Fotogeschichte (Jan Gerstner 2012); rkm-journal

(Bernd Kiefer 2013); Fotomonat.de/at (Michael Mahlke 2013). 

Die Wortkombination Blick.Spiel.Feld bestimmt die Koordinaten für eine Auseinandersetzung zwischen künstlerischen Positionen und theoretischen Aussagen. Es geht um Schau-Spiele am Schauplatz Theater, um Rahmungen des Blicks im Film, um Wahrnehmungs-gewohnheiten und das Sehen der Tiere, um Bildmaschinen und Blickregimes. Der Blick fällt auf Alpenglühen und Fußballfelder, auf die Ränder des Blickfelds, die Regeln des Spiels und die blinden Flecken des Sehens. Die Rede ist von magischen Taktiken der Blicklenkung und Abschweifung, von Regelsetzungen in Entwurfsprozessen und der Politik der (Un-)sichtbarkeit. Was macht sinnliche Selbstverständlichkeiten selbstverständlich? Wie werden Blicke konstruiert? Nach welchen Regeln wird gespielt und wie lassen sie sich übertreten? Was sind die Bedingungen für Wahrnehmung und wo ist der Aussichtspunkt? Wer blickt und wer blickt zurück? Was spielt sich ab, wenn Bewegung ins Spiel kommt? Die Aufsätze in dem Band gehen diesen Fragen nach und zeigen, wie das Sehen selbst zum Experiment werden kann. Der Band geht zurück auf den Kongress BLICK.SPIEL.FELD (2006) an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, gefördert durch die DFG (im Rahmen des Graduiertenkollegs Zeiterfahrung und ästhetische Wahrnehmung).

                             Kontakt🔺

http://worldcat.org/identities/ (2022)